DER GRIMBERGER ALTAR bottom
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Als besonderes kunst- und kulturhistorisches Kleinod beherbergt die Bleckkirche einen Renaissance-Altar aus dem Jahre 1574. In seinem Retabel (Altarbild) zeigt der Grimberger Altar ein sog. "Westfälisches Abendmahl".
(Die blauen » Links im Text öffnen die Bildansichten.)

Gestiftet von dem Ritter Heinrich von Knipping, einem der ersten lutherischen Adligen der Region und seiner Frau Isabella von Nesselrode, ist der
» Grimberger Altar eines der bedeutsamsten historischen Kunstwerke unserer Stadt. 1574 wurde er von einem uns unbekannten, an niederländischen Vorbildern geschulten Bildhauer geschaffen und ist ganz dem Kunststil der Renaissance verpflichtet.

Altar
Bis zu seiner Überführung 1738 in die drei Jahre zuvor gebaute Bleckkirche befand sich der Altar in der Kapelle des alten, nicht mehr erhaltenen » Schlosses der Grimberger Adelsfamilie. Die Kapelle ihrerseits steht heute am Hertener Schloss. Die verschieden Standorte des Altars im Kirchraum weisen auf die wechselhafte Baugeschichte der Bleckkirche hin, die erst 1889 ihre heutige architektonische Gestalt erhielt.

In den Ausmaßen 3,80 m Höhe und 2 m Breite ist der Grimberger Altar ganz aus Baumberger Sandstein gefertigt. Seinen Fuß bildet die sog. » Praedella. In ihr stehen im damaligen Niederdeutsch (Platt) die biblischen Einsetzungsworte zum Abendmahl aus dem 1. Korintherbrief des Paulus, Kapitel 11,23-25.

Durch dieses Gestaltungsmerkmal weist sich der Altar als ausgesprochen protestantisch aus. Seine Basis und Grundlage ziert nicht wie oft üblich eine bildliche Szene etwa aus dem Alten Testament, eine Heiligengestalt oder gar eine Darstellung der Stifter sondern das biblische Wort. Damit trägt der Altar dem bis heute gültigen Bekenntnis der Reformation Rechnung, dass "allein die Heilige Schrift" (lat: sola scriptura) die Basis und Grundlage für den Glauben und das Wesen der Kirche ist.

Augenfällig beeindruckt das » Altarbild (Retabel). In Stuck gearbeitet stellt es das letzte Abendmahl Christi mit seiner Jüngerschar dar. Die Bezeichnung "Westfälisches Abendmahl" verdankt das Altarbild der Tatsache, dass sich eine damalig für die hiesige Region typische Adelsgesellschaft um den Tisch versammelt hat. Man beachte die großen » Servietten, die man sich zum Schutz der Kleidung umgeschwungen hat. Auf dem Tisch sollen sich zudem die Reste eines » Spanferkelessens befinden, was die biblische Szene zwar angemessen in den bekannten Alltag zu Zeiten des Ritter Knippings hineinstellen, der jüdischen Herkunft Jesu und seiner Jünger aber keinen Respekt zollen, ja sogar auf skandalöse Art negieren würde. Ob es sich allerdings wirklich um ein Spanferkel und nicht doch um ein Lamm handelt, bleibt Interpretationssache. (Ein nicht weniger berühmtes Pendant eines "Westfälischen Abendmahles" befindet sich als Fensterbild in der Soester Kirche 'Maria zur Wiesen'. Hier stellt die Szene allerdings eine Patriziergesellschaft dar, auf deren Tisch ein Schinken liegt.)

Die Jünger im Grimberger Altarbild sind sehr individuell gearbeitet. Anzunehmen ist, dass sie Personen im Umfeld des Stifters darstellen. Konkrete Zuordnungen können aber bis auf zwei Ausnahmen nicht gemacht werden. So mag der Jünger mit dem Buch in der Hand (rechts neben dem Ruhenden) das » Konterfei des Stifters Heinrich von Knipping tragen. Ziemlich sicher ist, dass das Gesicht des Judas (im Vordergrund links) ein Abbild des Spanierkönigs Philipp II. ist, der als Gegenreformator mit seinen katholischen Truppen bis in die Weseler Region zog und zu Knippings Zeiten als "Papstknecht" einen nicht unerheblichen Hass auf sich zog.

Das Tier auf den Schultern des Judas ist ein kleiner » Drache, Symbol für das Böse. (Philipp II. führte eine Drachengestalt in seinem Wappen.) Seine Zunge bohrt sich durch das Ohr des verräterischen Jüngers und kommt an seiner Nase wieder heraus. Interessant dieses Detail deshalb, weil man in der Renaissance begann, den Sitz der Persönlichkeit im Kopf zu verorten. Wissenschaftlich korrekt also dargestellt die Tatsache, dass sich das Böse der Gedanken nicht im Herzen sondern im Hirn eines Menschen bemächtigt.

Insgesamt ist die Abendmahlsszene in Anlehnung an das Johannesevangelium dargestellt und erfasst den Komplex der sog. Abschiedsreden (Kap 13-17). Der Wasserkrug zur Fußwaschung (Joh 13,1-20) vor dem Tisch und der ruhende Jünger an Jesu Brust (Joh 13,23) weisen darauf hin. Im » Strahlenkranz um das Haupt Christi findet sich in Latein eines der 7 Selbstzeugnisse Jesu: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6).

Wie fotografisch dokumentiert ist der Moment als der Satan in Judas fährt, um ihn zum Verrat zu treiben. Der Bissen Brot, den Jesus dem Judas als Erkennungszeichen des Verräters reichte (Joh 13,26), bleibt ihm sichtbar im Halse stecken. Die bangen Gesichter, mit denen sich die Jünger gegenseitig betrachten (vgl. Joh 13,22) verraten die Dramatik der bildhaft eingefangenen Situation.

Im oberen Teil des Altars - dem sog. » Gespränge - finden sich rechts und links zwei Engelsgestalten (Genien), die eine gesenkte Fackel tragen. Neben den Totenschädeln, auf denen sie lehnen, ein weiteres Zeichen für die Vergänglichkeit des Lebens. Dies weist darauf hin, dass der Altar nicht allein zu gottesdienstlichen Zwecken diente sondern zugleich auch das Grabmal der Grimberg'schen Adelsfamilie war. Ihr Wappen befindet sich zurückhaltend am Fuß des Gekreuzigten.

Christus ist der gesamte Mittelpunkt des Altars, beginnend vom jesuanischen Schriftwort in der Praedella über die Abendmahlsdarstellung im Retabel bis hinauf zum Kreuz im Gespränge. Dies bezeugt die reformatorische Rückbesinnung auf das Zentrum der christlichen Verkündigung.

Während das Schriftwort auf das heilsstiftende Sakrament der Abendmahlsfeier verweist, in der sich die christliche Gemeinde bis auf den heutigen Tag der Vergebung der Sünden, der Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten und der Teilhabe am Reich Gottes vergewissert, nimmt das Altarbild den Betrachter hinein in eine vergangene aber gleichsam auch immer aktuelle geschichtliche Situation. Christus verweist mit erhobenen Finger auf seinen eigenen Tod am Kreuz, Symbol für das ohnmächtige, immer währende Leiden der menschlichen Kreatur zugleich aber Beweis für den Sieg Gottes über die Mächte des Todes in unserer Welt.

Im Kreuz erkennt der gläubige Christ das Zeichen seiner Hoffnung auf die Auferstehung und das ewige Leben.

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